Das Schützenwesen ist vielerorts ein wichtiger, historisch gewachsener und lebendiger Teil der regionalen wie
lokalen Identität. Es umfasst eine große Anzahl von Bräuchen und Traditionen, die in ganz Deutschland in zahlreichen unterschiedlichen Erscheinungsformen
verbreitet sind.
Das Schützenwesen reicht von den stark christlich
geprägten Bruderschaften im rheinischen-westfälischen Bereich über weltliche, zum Teil streng traditionell
gelebte Bräuche im östlichen Deutschland und die eher bürgerlich-republikanisch
veranlagten Gepflogenheiten der Vereine in den früheren freien Reichs- und
Hansestädten bis hin zu den folkloristisch-fröhlichen Traditionen der süddeutschen Schützengesellschaften.
Das Schützenwesen hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder auf Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen reagiert und sich enorm ausdifferenziert. Der alte Brauch wird heute in der Regel im Rahmen einer Vereinszugehörigkeit von Menschen jeden Alters und Geschlechts unabhängig von religiösem Bekenntnis,
sexueller Orientierung, Herkunft oder auch Behinderung ausgeübt. Es gibt vielfältige Maßnahmen zur Weitergabe der Tradition, unterschiedliche Formen der Jugendarbeit und eine aktive Pflege regionaler und europäischer Verbindungen.
Bekanntester und wesentlicher Ausdruck des Schützenwesens ist das Schützenfest, das mit vielfältigen örtlich unterschiedlichen Bräuchen einmal im Jahr gefeiert wird. Im Zentrum steht der oftmals durch das Königsvogelschießen ermittelte Schützenkönig bzw. die Schützenkönigin. Zu seinen/ihren Ehren finden Umzüge und Paraden statt, bei denen die uniformierten Schützen zu Ehren des Königs bzw. der Königin auftreten. Die Schützinnen und Schützen eines Vereins oder einer Bruderschaft treten in
einheitlicher Schützentracht auf, tragen Vereinsabzeichen und verfügen über eine
Fahne, um die sich wiederum diverse Bräuche gruppieren. In der Schützenhalle bzw. im Festzelt finden die gesellschaftlichen Feiern (Bälle, Frühschoppen, Platzkonzerte) statt. Jedes Schützenfest hat lokal hergebrachte Rituale und Bräuche und
unterschiedliche Abläufe. Auch die genutzten Utensilien unterscheiden sich lokal und regional. Über dieses singuläre Ereignis im Jahr hinaus prägen gerade in kleineren
Orten die unterschiedlichen ortsbezogenen Bräuche der Schützenvereinigungen das soziale und kulturelle Gemeinschaftsleben, sodass die Schützentradition das ganze Jahr wahrnehmbar ist und gelebt wird.
"Die Wertschätzung, die mit dem Eintrag in das Bundesweite Verzeichnis verbunden ist, gilt natürlich in erster Linie unseren Mitgliedern in den Vereinen. Diese investieren nicht nur sehr viel Herzblut, um die alten, überlieferten Bräuche aktiv aufrecht zu
erhalten und zu pflegen, sondern bringen auch die Aufgeschlossenheit und Fantasie mit, sie in Zeiten schnellen gesellschaftlichen und demografischen Wandels durch kreative Anwendung und Veränderung gerade auch der jungen Generation
weiterzugeben und damit am Leben zu halten."
Heinz-Helmut Fischer, Präsident des Deutschen Schützenbundes.
Die Ursprünge des Schützenwesens reichen vielerorts bis ins Mittelalter zurück. Im rheinisch-flandrisch-westfälischen Raum wurde zu dieser Zeit die jeweilige Stadt bzw. Gemeinde durch die Bürger selbst geschützt; der Wehr- und Verteidigungscharakter stand somit im Vordergrund. Mit der Übernahme dieser Aufgaben durch den Staat schwand diese Funktion des Schützenwesens. Dies kommt heute noch in einzelnen symbolischen Bräuchen zum Ausdruck, etwa dem Paradieren mit Holzgewehren oder der Tradition des Vogelschusses.
Fakten
Aufnahmejahr: 2015
Verbreitung: deutschlandweit und darüber hinaus
Zentraler Termin: ganzjährig
Bereich: Gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste